Samstag, 10. Oktober 2015

Ein Leben



Unsere Tage sind immer noch sehr bestimmt vom Heimgang meiner Schwiegermutter. Die Beerdigung muss organisiert werden, Wohnung gekündigt, bei allen Ämtern, Krankenkassen, Stadtwerken und der Telekom muss sie abgemeldet werden. Zwischen den paar wenigen Sachen, die wir als Erinnerung aus ihrer Wohnung mitgenommen haben, finden wir unser Leben. In jeder Schublade, in jedem Regal waren Spuren unseres Lebens zu erkennen. Fotos, Geburtsanzeigen der Kinder, Todesanzeige von Julian, Zeitungsausschnitte, Briefe, Postkarten, Geschenke, und dazwischen Bibelverse. 

Als mein Mann die Wohnung auskehrte, kehrte er ein Leben aus, und ich stelle mir die Frage: „Was bleibt?“

Was bleibt, wenn ich gehe? Was wird über mich erzählt? Womit habe ich diese Welt ein kleines bisschen verändert? Was wünsche ich mir, wird bei meiner Beerdigung erzählt? Was hinterlasse ich? 

Was bleibt, wenn du gehst? Was wird über dich erzählt? Womit hast du diese Welt ein kleines bisschen verändert? Was wünschst du dir, wird bei deiner Beerdigung erzählt? Was hinterlässt du?

Auf dem Sterbebett wird niemand sagen: „Hätte ich bloß eine Stunde am Tag mehr gearbeitet.“ Oder: „Hätte ich die Fenster bloß häufiger geputzt.“ Auch nicht: „Hätte ich doch noch ein bisschen mehr Geld verdient.“ Und auf keinen Fall: "Hätte ich bloß noch mehr gemeckert, die Kinder angeschrien, wäre unzufriedener gewesen und hätte mich über Kleinigkeiten noch mehr aufgeregt."

Was würde ich gerne einmal in meiner eigenen Autobiographie veröffentlichen? Worauf möchte ich zurückblicken können? 

Was würdest du gerne einmal in deiner eigenen Autobiographie veröffentlichen? Worauf würdest du zurückblicken können?

Wusstest du, dass du HEUTE daran schreibst? Dass du heute daran arbeitest? Dass du heute das lebst, worauf du später zurückschaust?

Die Erinnerung an meine Schwiegermutter war ihre Hilfsbereitschaft und Aufopferungsbereitschaft.

Eine ganz typische Situation:

Wir sitzen zusammen am Tisch, und irgendetwas reicht nicht. Sie schiebt es uns auf den Teller mit den Worten: „Ich mag das sowieso nicht.“

Einer ihrer größten Wünsche war, dass unser Großer eine Freundin findet. Er wollte immer auf die Richtige warten. Als es dann im Januar so weit war, plante er bereits im Februar die Fahrt nach Bremen, um der Oma ihren Wunsch zu erfüllen, und bekam keinen Urlaub.

Ein ganzes halbes Jahr war ihm das immer wieder wichtig, im Juni hat’s dann doch geklappt. 

Einen Tag hin, am nächsten zurück, 1400 km, nur für die Oma.


Jetzt ist er dankbar, dass er das nicht verschoben hat.







Morgen fahren wir nach dem Gottesdienst mit acht Personen nach Bremen. Am Montag findet die Beerdigung statt. Acht Personen, das sind mein Mann und ich, unsere Kinder, die Freundin des Großen und S., die seit vier Wochen bei uns wohnt. 

hm

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